Kaderanalyse 2023 Edge Rusher – No Gary, no Party

Weiter geht es mit unserer Kaderanalyse. Heute steht die im Durchschnitt teuerste und in vielen Augen wichtigste Positionsgruppe der Defense im Fokus – die Edge Rusher. Im Großen und Ganzen gab es in der vergangenen Offseason eine nennenswerte personelle Veränderung in der Edge Rusher-Gruppe der Packers: den Abgang von ZaDarius Smith Richtung Minnesota. Selbst dieser lässt sich jedoch relativieren, wenn man sich daran erinnert, dass Smith im Prinzip die gesamte Saison 2021 verletzungsbedingt verpasste. Grundsätzlich blieb es dementsprechend beim klaren Starting-Duo aus Rashan Gary und Preston Smith. Abgesehen hiervon beendete Veteran Whitney Mercilus seine Karriere nach einer soliden Saison bei den Packers. Als einziges wesentliches Investment in die Position wurde Kingsley Enagbare (South Carolina) in der fünften Runde des NFL Drafts 2022 gezogen. Somit ging Green Bay von Beginn an mit einer fraglichen Edge Rusher-Tiefe in die Saison, die sich im Laufe des Jahres durchaus bemerkbar machen sollte…

Rashan Gary

Snaps: 378
Pressures: 38, Sacks: 6, Total Tackles: 32
PFF Grade: 82.9
5th-Year-Option

Nach dem finalen Abgang von ZaDarius Smith war es offensichtlich, dass Rashan Gary in seinem vierten NFL-Jahr schließlich die Hauptlast des Packers’ Pass Rushes stemmen musste. Dies gelang dem erst 25-Jährigen vorerst auch ziemlich beeindruckend: In den ersten neun Wochen der Saison sammelte Gary 38 Pressures (die 5. meisten ligaweit), sechs Sacks (11.) und konnte gegnerische Quarterbacks bei 11,5 % (7.) ihrer Passversuche unter Druck setzen. Zudem konnte er eine Pass Rush-Win-Rate bei sogenannten “True Pass Sets” (= alle Passversuche, ausgenommen Screen und Play Action Pässe) von 33,8 % (4.) verbuchen (Quelle: PFF).
Leider nahm die bis dahin extrem vielversprechende Saison 2022 für ihn ein abruptes Ende, als Gary sich in Week 9 in Detroit das vordere Kreuzband riss. Die defensive Front der Packers musste anschließend für die halbe Saison auf ihren individuell stärksten Spieler verzichten, während Gary’s letzte “richtige” Rookie-Vertrags-Saison einen unrühmlichen Abschluss erhielt. Der ehemalige Michigan Wolverine wird in der kommenden Saison unter seiner 5th-Year-Option auflaufen, die einen voll garantierten Cap Hit von 10.892.000 Mio. $ mit sich bringt. Ein Betrag, der vermutlich nur rund ein Drittel davon darstellt, was Gary in seinem ersten Veteran-Vertrag durchschnittlich pro Jahr verdienen wird – dieser sollte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Preston Smith

Snaps: 825
Pressures: 42, Sacks: 8.5, Total Tackles: 59
PFF Grade: 66.4
Vertrag bis 2026

Im Gegensatz zu ZaDarius Smith, mit dem Preston in der Offseason 2019 gemeinsam nach Green Bay kam, wurde er nicht entlassen, sondern bekam im vergangenen März eine Vertragsverlängerung über vier weitere Jahre. Während seiner Zeit in Green Bay entwickelte er sich in erster Linie zum Führungsspieler – auf dem Platz jedoch fällt Smith regelmäßig eher in die Kategorie “Durchschnitt”. Dieser Trend konnte sich ohne Zweifel in der abgelaufenen Saison fortsetzen. Gerade im Vergleich mit dem soeben gelobten Rashan Gary, fiel der 30-Jährige deutlich ab. Smith verzeichnete 42 Pressures (46.), eine Pressure-Rate von 6,6 % (59.) sowie eine Pass Rush-Win-Rate bei True Pass Sets von 17,9 % (65.). Zwar konnte er zehn Sacks (16.) vorweisen, allerdings sind Sacks als Statistik wenig repräsentativ für die Leistung eines Spielers über eine Saison. Auch als Laufverteidiger machte er im Vergleich zur Vorsaison eher Rückschritte.

Preston Smith wird das kommende Jahr definitiv noch in Green Bay spielen, da seinem geringen Cap Hit von 6.372.000 Mio. $ ein Dead Cap in Höhe von 18.095.000 Mio. € entgegensteht. Bei einem 30-jährigen Sportler ist allerdings nicht mehr von einer plötzlichen Leistungssteigerung auszugehen. Ab der darauffolgenden Offseason wird es demnach interessant, da der Vertrag recht teamfreundlich strukturiert ist und die Packers ihn 2024 mit einer Cap-Ersparnis von knapp 3 Mio. $ entlassen könnten.
Nicht unwahrscheinlich also, dass wir Preston Smith dieses Jahr ein letztes Mal in Green and Gold sehen werden.

Kingsley Enagbare

Snaps: 465
Pressures: 25, Sacks: 3, Total Tackles: 31
PFF Grade: 61.4
Vertrag bis 2025 (Rookie Vertrag)

Im Anschluss an den Draft galt Kingsley Enagbare aus South Carolina durchaus als Steal in der fünften Runde. Durch die Verletzung von Rashan Gary in Woche 9 erhielt der Rookie-Edge Rusher in seiner ersten NFL-Saison bereits deutlich mehr Snaps, als ursprünglich vermutlich vorgesehen – nach Preston Smith die zweitmeisten aller Packers Edge Rusher. Insgesamt hat Enagbare definitiv nicht enttäuscht, war aber auch weit entfernt von einer auffälligen Rookie-Saison. Im Ligavergleich beendete er die Saison in den meisten Statistiken etwas unterhalb von Preston Smith, also im weitestgehend unterdurchschnittlichen Bereich. Verglichen mit anderen Rookie-Edge Rushern mit über 100 Snaps gestaltet sich das Bild jedoch deutlich positiver: Enagbare landet mit 25 Pressures auf Platz sechs, mit einer Pressure-Rate von 5,8 % auf Platz 7 und mit einer Pass Rush-Win-Rate bei True Pass Sets von 17,1 % auf Platz 5.

Der 23-Jährige sollte für die nächsten drei Jahre (Rest seines Rookie-Vertrages) mindestens einen soliden Rotationsspieler für die Packers darstellen können.

Justin Hollins

Snaps: 436 (128 bei den Packers)
Pressures: 15 (9), Sacks: 3.5 (2.5), Total Tackles: 35 (9)
PFF Grade: 54.0
Unrestricted Free Agent

Justin Hollins wurde am 24. November von den Packers verpflichtet, nachdem die Los Angeles Rams ihn entließen und verbrachte die restliche Regular Season auf dem Roster der Packers. In vier seiner sechs Spiele stand er mehr als 20 Snaps auf dem Feld, sah also durchaus relevante Spielzeit. Leider fiel auch Hollins in die Kategorie “(unterer) Durchschnitt” und konnte keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Abgesehen von einzelnen Plays, zeichnete der ehemalige Fünftrundenpick der Broncos sich eher durch Unauffälligkeit aus. Über seine Zeit bei den Packers, die von Woche zwölf bis Woche 18 währte, verzeichnete er lediglich neun Pressures (79. in diesem Zeitraum). In Sachen Pressure-Rate konnte Hollins die Packers’ Edge Rusher mit 7,3 % (49.) über den genannten Zeitraum sogar anführen, bewegte sich allerdings auch dort im NFL-Vergleich nur im Mittelfeld. Gleiches gilt für seine Pass Rush-Win-Rate bei True Pass Sets von 18,2 % (61.).

Hollins geht nach seinem vierten NFL-Jahr beim bereits dritten Team nun als unrestricted Free Agent in die Offseason – er darf also frei mit jedem Team verhandeln. Voraussichtlich ist es eher unwahrscheinlich, dass er noch einmal zu den Packers zurückkehrt, da mit Enagbare und Garvin (zuzüglich potentielle Rookies im kommenden Draft) bereits Rotationsspieler vorhanden sind, die im Gegensatz zu ihm sogar noch unter ihren günstigen Rookie-Verträgen spielen.

Jonathan Garvin

Snaps: 193
Pressures: 7, Sacks: 0, Total Tackles: 8
PFF Grade: 50.6
Contract Year (4. Rookie-Vertrags Jahr)

Als Letztes verdient Jonathan Garvin hier zumindest noch eine kurze Erwähnung. Er absolvierte bereits seine dritte NFL-Saison und konnte sich leider nicht weiter durchsetzen oder Entwicklung nachweisen. Seine Snaps minimierten sich im Vergleich zur Vorsaison trotz der dünnen Personalsituation sogar von 396 auf 194. Auch in Sachen Effizienz konnte er sich leider nicht auszeichnen: Seine Pressure-Rate von 4,4 % landete auf Platz 119 (von 144) und seine Pass Rush-Win-Rate bei True Pass Sets von 8,7 % gar nur auf Platz 138.

2023 kommt Garvin als 23-Jähriger in seine vierte NFL-Saison. Es ist allerdings fraglich, ob er es angesichts seiner überschaubaren Entwicklung ein weiteres Jahr im Roster halten kann.

Bewertung und Aussicht

Die Saison der Packers Edge Rusher kann relativ simpel in zwei Hälften geteilt werden – vor und nach dem Moment von Rashan Gary’s Verletzung. Von Vornherein war es klar, dass Gary eine große Last des Pass Rushes stemmen musste. Dennoch war es enttäuschend zu sehen, wie mangelhaft sich die Alternativen der Packers darstellen. Preston Smith als Veteran, Enagbare als Rookie, Hollins als junger, neuer Spieler – niemand konnte individuell ansatzweise für konstante Gefahr sorgen.

Man sollte davon ausgehen können, dass Gary im Laufe der Offseason seinen wohlverdienten Vertrag erhalten wird und sich für mehrere Jahre an die Packers bindet. Preston Smith hat die 30-Jahre-Marke überschritten und findet sich zunehmend im NFL-Durchschnitt wieder. Kingsley Enagbare wird mindestens mit Blick auf die kommende Saison keine Starting-Rolle zugetraut werden. Auch Jonathan Garvin und La’Darius Hamilton werden höchstens im Kampf um Roster-Spots eine Rolle spielen. Infolgedessen erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass die Packers auf Edge Rusher im Draft früh tätig werden und frische Qualität in die Gruppe hinzufügen. Auch mehrere Draft Picks zu investieren ergibt zweifelsohne Sinn, da es er der Gruppe zum jetzigen Stand offensichtlich auch an Tiefe fehlt.

Note: C+

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