Kick it like … 2010? 

In der vergangenen Off-Season hat das Competition Commitee, in der NFL zuständig für Regeländerungen, eine neue Kickoff Regel beschlossen. Ziel dieser Regeländerung ist es, die immer weiter steigenden Touchback-Zahlen beim Kickoff wieder zu reduzieren. Teams sollen einen Anreiz erhalten, Kickoffs so zu platzieren, dass ein Return “erzwungen” wird. Funktioniert dies? Sehen wir uns das genauer an! 

Die Idee zu diesem Thema entstand bereits nach Woche 3 der laufenden Saison. Unser Leser hjmandel schickte mir als Reaktion auf meine erste Kolumne die Anfrage, ob ich mir für die nächste Ausgabe die Auswirkungen der neuen Regel ansehen könnte. Mir war selbst bereits aufgefallen, dass augenscheinlich statt weniger sogar mehr Touchbacks passierten. Eine schnelle Recherche der Zahlen ergab: das stimmt nicht! Während in der letzten Saison noch rund 73% aller Kickoffs ein Touchback waren (1970 von 2698), waren es zu diesem Zeitpunkt in der laufenden Saison nur noch knapp 68% (418 von 617). Kein gigantischer Unterschied, aber immerhin eine klare Verbesserung, die ich in den Spielen offensichtlich falsch wahrgenommen hatte. Meine Neugier war geweckt und – so viel kann ich verraten – weitere Recherchen machten das Thema noch viel spannender.

Grundlagen – was wurde überhaupt verändert?

Die NFL hat mit der letzten Regeländerungen versucht, sich selbst zu korrigieren. Bezüglich des Kickoffs gab es in den letzten Jahrzehnten schon mehrere Regelanpassungen, die aber alle zum Ziel hatten, die Touchbacks zu erhöhen. Der Grund dafür war durchweg die enorm hohe Verletzungsgefahr beim Return.

Die diesjährigen Änderungen zielten dagegen auf das genaue Gegenteil: Die Touchbacks waren mittlerweile so zahlreich, dass man offenbar wieder etwas mehr Spannung für den Zuschauer erzeugen wollte und deswegen die folgenden Regeln eingeführt hat: 

Es wurde zunächst eine sogenannte “Landing Zone” für den Kickoff eingeführt. Diese erstreckt sich von der Goal Line bis zur 20 Yard Linie des empfangenden Teams. Bei einigen Sendern des amerikanischen Fernsehens wird beim Kickoff diese Landing Zone momentan hervorgehoben. 

Landet ein Kickoff innerhalb dieser Zone, so MUSS er vom Returner zurückgetragen werden. Ein Fair Catch ist in diesem Fall nicht mehr möglich (Achtung: wir reden nur vom Kickoff, nicht von Punts!). 

Um nun aber die Verletzungsgefahr trotz der erwarteten höheren Zahl an Returns so niedrig wie möglich zu halten, wurden einige weitere Anpassungen vorgenommen: Außer dem Kicker müssen nun alle Spieler des kickenden Teams ihre Aufstellung an der gegnerischen 40 Yard Linie (also 25 Yard weiter vorne als früher) einnehmen. Zudem dürfen sie alle erst dann loslaufen, wenn der Ball den Boden berührt hat oder gefangen wurde. High Speed Kollisionen sind damit nicht mehr so wahrscheinlich wie früher bei einem längeren und früheren Anlauf. 

Zu guter Letzt wurden auch die Regeln für den Touchback justiert, so dass dieser für das kickende Team (so hofft man) nicht so erstrebenswert ist. Dabei gibt es drei verschiedene mögliche Szenarien: 

  • Wenn ein Kick in der Landing Zone aufkommt und danach in die Endzone springt, handelt es sich um einen “Live-Ball”. Dieser kann nun entweder returned oder abgekniet werden. In letzterem Fall startet das empfangende Team an der eigenen 20 Yard Linie. 
  • Ein Kick, der direkt in der Endzone aufkommt oder sogar darüber hinaus geht oder direkt in der Endzone gefangen (und abgekniet) wird ist ein Touchback. Das empfangende Team startet nun an der eigenen 30 Yard Linie (früher ging es in diesem Fall an der 25 los). 
  • Wenn der Kick es nicht bis in die Landing Zone schafft oder out of bounds geht (also aus dem Feld springt) wird das bestraft: Das empfangende Team startet an der eigenen 40 Yard Linie. 

Das Competition Committee erhofft sich also durch die “Pflicht zum Return” und die bessere Field Position bei einem Touchback, dass Teams zukünftig eher den Return zulassen und auf den Touchback verzichten. 

Was haben die Regeländerungen bewirkt?

Die Tendenz, die sich bereits nach Woche 3 gezeigt hat (siehe oben) hat sich in den weiteren fünf Wochen bestätigt: die Touchback-Quote liegt Stand heute bei gerade einmal 66% (839 von 1271). Nochmal zum Vergleich: 2023 waren es gut 73%. 

Interessant wird es aber, wenn man sich die langfristige Entwicklung ansieht. Hier wurde ich, obwohl ich die NFL schon seit geraumer Zeit verfolge, doch etwas überrascht. Denn mit 66% liegt die Saison 2024 auf – Achtung! – Platz 2 seit Beginn der Aufzeichnungen. 

An der Grafik kann man schon auf den ersten Blick die vergangenen Regel-Änderungen erkennen: 

2016 wurde die Start-Linie für einen Touchback von der 20 an die 25 Yard Linie verlegt. Teams sollten hier ermutigt werden, einen in der Endzone aufgenommenen Ball nicht zurückzutragen. Der Effekt war zwar nicht riesig, aber immerhin wurde die Quote von bis dato ungefähr 55% auf über 60% erhöht.

Den deutlich größeren Impact hatte aber eine Regeländerung im Jahr 2011. Wurde bis dahin der Kickoff noch von der 30 Yard Linie gekickt, durfte man von nun an von den 35 Yard Linie schießen. Die Kicker waren dadurch überhaupt erst in die Lage, regelmäßig und zuverlässig weit genug zu schießen für einen Touchback. Die Grafik zeigt dann auch einen deutlichen und abrupten Anstieg von ungefähr 15% Touchbacks auf über 40%, Tendenz steigend. 

Der Vollständigkeit halber: auch in den Jahren 2018 und 2023 wurden kleinere Änderungen am Regelwerk vorgenommen. Diese zielten in eine ähnliche Richtung ab. Der Effekt war aber hier nur klein bis unmerklich. 

Ein Blick in die Zukunft

Ich habe hier zwei Perspektiven, die ich mir genauer ansehen will. Zum einen die Perspektive der NFL. Natürlich will man das Spiel möglichst attraktiv machen, um die Zuschauer-Zahlen und damit letztlich den Umsatz und Gewinn zu maximieren. Ein Touchback dürfte wohl eines der unattraktivsten Plays sein, die die heutige NFL zu bieten hat. Gleichzeitig ist der worst case natürlich ein verletzter Spieler. Man will also eine gute Balance finden. Mein Bauchgefühl sagt mir: die NFL ist mit dem Resultat der neuerlichen Anpassung schon einigermaßen zufrieden. Die Liga ist bezüglich Regeländerungen sowieso eher konservativ unterwegs und wird – so meine steile These – in den nächsten Jahren keine weiteren einschneidenden Veränderungen am Kickoff vornehmen. 

Die zweite Perspektive, die ich beleuchten will, ist die Perspektive der Teams bzw. genauer: der Kicker. Diese Spieler sind in den letzten Dekaden zu absoluten Spezialisten geworden. So wie es auf anderen Positionen eine Professionalisierung der Ausbildung schon in den Kinder-Teams bis ins College zu beobachten gab, trifft dies auch auf die Kicker zu. Field Goals wurden über die Zeit von immer weiteren Distanzen versucht (und auch verwandelt). Die Zuverlässigkeit in den unterschiedlichen Kick-Distanzen hat sich drastisch erhöht, schon bald dürfte die 70 Yard Marke für das längste erfolgreiche Field Goal fallen. 

Die neue Regel verlangt nun von den Kickern nicht nur in Sachen Richtung, sondern auch in der Länge eine neue Genauigkeit. Der ideale Kickoff landet kurz vor der gegnerischen Goal Line und zwingt den Returner zu einem möglichst weiten Lauf. Je genauer ein Kicker also seine Reichweite justieren kann, desto schlechter die Field Position des gegnerischen Teams (die Fähigkeit, den Return zu stoppen lassen wir bei diesem Gedanken mal außen vor). 

Ich persönlich halte das für eine begrüßenswerte Entwicklung. Damit wird der Kickoff zu einem weiteren taktischen Element, dass Teams gezielt einsetzen können, um sich über die Dauer einer Saison einen gewissen Vorteil zu sichern. 

Auswirkungen auf die Packers

Zum Beginn der Saison hätte jeder Packers Fan im Angesicht dieses Artikels den Kopf in den Sand gesteckt. Eine Erkenntnis, die offenbar auch Brian Gutekunst hatte. Die Entscheidung in der Off-Season zwei Kicker zu testen (Anders Carlson und Greg Joseph), dann einen dritten mit in die Saison zu nehmen (Brayden Narveson) war schon “gewagt”. Dann aber innerhalb kurzer Zeit zu erkennen, dass auch Narveson nicht die Antwort ist und die Chance auf einen erprobten Veteran in Person von Brandon McManus zu ergreifen – ein absolutes Statement. Vor allem vor dem Hintergrund, wie stabil die Packers in den letzten Jahren gerade auf dieser Position aufgestellt waren. 

Nach jetzt zwei Spielen, die beide mit einem Walk off Field Goal gewonnen werden konnten (24:22 gegen die Texans in Woche 7 und 30:27 gegen die Jaguars in Woche 8) kann man schon deutlich entspannter in den Rest der Saison gehen. In den beiden Spielen blieb McManus jeweils fehlerfrei und verwandelte insgesamt 4 Field Goals (zwischen 34 und 45 Yards) sowie 6 PATs. Damit erzielte er alleine 18 der 54 Punkte. Die Kirsche auf dieser kleinen Sahnetorte ist die Genauigkeit: bei keinem seiner Kicks hatte man das Gefühl, der Ball flattert oder droht danebenzugehen. Da konnten selbst die teilweise schlechten Snaps nichts dran ändern. 

Und auch bei den Kickoffs können wir uns nicht beschweren. In den 10 Kickoffs von McManus gab es 7 Touchbacks, die drei Returns schafften im Schnitt lediglich 9,3 Yards. Der beste Durchschnitt eines Teams in dieser Saison liegt in dieser Kategorie bei 20,4 (Eagles). Das ist mehr als doppelt so hoch! 

Insgesamt 653 Kickoff Yards bedeuten eine durchschnittliche Kickoff Tiefe von 65,3 Yards. Auch das ist im Liga-Vergleich ein absoluter Top Wert. Nur die Lions haben mit 65,8 hier mehr Yards pro Kick erzielt. 

Fazit 

Wir können davon ausgehen, dass auch McManus noch Field Goals verschießen wird. Wir können auch getrost erwarten, dass die Return-Yards sowie die Kickoff Tiefe nicht durchgängig auf diesem hohen Niveau bleiben werden. Aber wir dürfen optimistischer sein als zu Saison-Beginn. Mit McManus haben die Packers einen Kicker gefunden, der Eis in den Venen und Stahl in den Beinen hat. Freuen wir uns darauf, in den nächsten Spielen auch das Kicking-Game als einen strategischen Bestandteil der Mannen in grün und gold entspannter zu beobachten!

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