Sein Name ist Legende. Die wichtigste Trophäe des Football ist nach ihm benannt. Er hat die Packers zurück auf die Landkarte gebracht und Titletown erschaffen. Vince Lombardi war die Macht in den 1960ern und ist bis heute eine Legende. Nach seinen früheren Jahren und seiner Zeit in Green Bay blicken wir nun auf seine letzten Lebensjahre sowie den Charakter Vince Lombardi zurück. Wer war er und was hat ihn ausgemacht?
1969: Lombardi, Redskins und der „Change of Culture“
Im Februar 1969, ein Jahr nach seinem Rücktritt als Headcoach bei den Packers, unterschrieb Lombardi bei den Redskins und war erneut als GM sowie Headcoach aktiv. Washington war zu dieser Zeit chronisch unerfolgreich. 1945 hatte man zuletzt die Playoffs erreicht und kam in 24 Jahren nur auf drei (!) Winning Seasons. Besitzer war zu dieser Zeit George Preston Marshall, ein Rassist und strikter Befürworter der Rassentrennung. Aus diesem Grund verpflichtete die Redskins bis 1962 keine nicht-weißen Spieler, ehe sie von der Bundesregierung (als Besitzer des DC Stadium) so viel Druck bekamen, dass sie Ernie Davis als ersten schwarzen Spieler im Draft zog. Davis sollte nie für Washington spielen.
Embed from Getty ImagesWenngleich Marshall 1962 Anteile an den Redskins verkaufte und seit einem Schlaganfall 1963 geschäftsunfähig war, lebte der Geist weiter. Selbst Ende der 1960er Jahre waren die Redskins ein Hort des Rassismus und der Intoleranz. Auch der Misserfolg stand der Franchise ins Gesicht geschrieben.
Hier übernahm Vince Lombardi ein Team mit Quarterback Sonny Jurgensen, der als „zu soft“ für die NFL galt, obwohl er 1960 bereits Champion war, als einer der besten Passer der Liga galt und viermal Teil der All-Pros war. Ansonsten war es ein Team, dem die großen Stars fehlten. Daher reaktivierte Lombardi den späteren Hall of Fame-Linebacker Sam Huff und integrierte den jungen und späteren MVP Larry Brown ins Team.
Und so wandelte sich die Kultur. Lombardi führte das Team zu einem 7-5-2 Record und der ersten Winning-Season seit 1955. Damit wurde sportlich der Grundstein gelegt für die erfolgreiche Zeit der Redskins in den frühen 1970er Jahren unter George Allen. Gleichzeitig änderte sich auch die Kultur der Redskins im Allgemeinen. Dank Lombardi, aber auch der neuen Mehrheitsbesitzer Jack Kent Cooke und Edward Bennett Williams, wurden die Redskins weltoffener.
Embed from Getty ImagesDer frühe Tod
Zum Ende seiner Zeit bei den Packers hatte Vince Lombardi bereits große Probleme mit Magen und Darm. Wahrscheinlich resultierte dies aus dem Stress und der Verbissenheit, den der Coach auch mit über 50 an den Tag legte. Entsprechende Untersuchungen lehnte er aber ab. Erst auf einer Reise nach Green Bay ging es Lombardi so schlecht, dass ihn ehemalige Spieler überreden konnten, sich dort untersuchen zu lassen. Nach weiteren Untersuchungen in Washington war klar, dass Lombardi unheilbar an Krebs erkrankt war. Am 27. Juli 1970 wurde er erneut ins Krankenhaus der Georgetown University eingeliefert, wo er den letzten Besuch von Weggefährten, ehemaligen Spielern und natürlich der Familie erhielt. Auf seinem Sterbebett offenbarte er dem Pastor, dass er keine Angst vor dem Tod habe, aber bedauere, dass er nicht mehr Ziele im Leben erreicht habe. Am 3. September 1970 starb Vincent Thomas Lombardi und wurde vier Tage später beerdigt. Unter den fast 1.500 Trauergästen waren fast alle Teambesitzer der NFL, der damalige Commissioner Pete Rozelle sowie viele ehemalige (Mit-)Spieler, aber auch Absolventen von Fordham und West Point.
Lombardi und Familie
Was bleibt von Vince Lombardi? Vielleicht muss man dies in zwei Teile teilen – das Private und das Öffentliche. 30 Jahre lang war er mit Marie Planitz verheiratet, eine immer glückliche Ehe war es nicht immer. „Ich war kaum mehr als eine Woche mit ihm verheiratet“, sagte seine Frau dem Biographen David Maraniss: „Als ich zu mir selbst sagte: Marie Planitz, du hast den größten Fehler deines Lebens gemacht.“ Hinzu kam, dass Marie Lombardi eine Fehlgeburt erlitt und als Folge davon alkoholabhängig wurde. Dieses Übel musste sie bis zu ihrem Tod 1957 mehrfach bekämpfen. Darunter, wie auch unter den Launen des Vaters, seiner autoritären Erziehung und seines Perfektionismus hatten die Kinder Susan sowie Vince Junior zu leiden.
Andererseits war die Ehe Vince/Marie Lombardi die perfekte Ergänzung. Wenn es der Ehemann mit seinem Temperament übertrieb, bekam er von Marie die entsprechenden Konter. Gleichzeitig half Vince seiner Frau im Kampf gegen den Alkoholismus – ein Punkt, der nur sehr selten von außenstehenden gewürdigt wird.
Vince Lombardi kannte seine Fehler und suchte auch in der Religion Zuflucht, betete für sich und seine Familie. Aber auch andere versuchte er zu bekehren und gerade in seinen Anfangsjahren als Headcoach in St. Cecila war der sonntägliche Kirchbesuch für seine Spieler Pflicht. Bis zu seinem Tod suchte Lombardi immer wieder Kirchen auf und den Rat von Priestern. Gleichzeitig war er Mitglied bei den Kolumbusrittern, einer katholischen Laienorganisation.
Zum Zeitpunkt seines Todes hatte Vince Lombardi zwei Kinder und sechs Enkelkinder. Keiner von Ihnen trat in seine Fußstapfen. Erst der rund ein Jahr nach seinem Tod geborene Joe Lombardi trat in seine Fußstapfen. Als Quarterbacks-Coach von Drew Brees darf auch er sich Super Bowl Champ (SB XLIV) nennen. Mittlerweile ist er Offensive Coordinator bei den LA Chargers.
Der Kampf gegen Diskriminierung
Vince Lombardis Fokus war das Football-Feld. Entsprechend trieb er seine Mannschaft an, teilweise mit sehr harten Methoden, die nach heutigem Verständnis nicht mehr tragbar wären. Und ja, er war ein Sturkopf, ein Vulkan, ein Mann von aufbrausendem Temperament, das bis zum Jähzorn reichte.
Im fast schon krassen Gegensatz dazu steht sein Kampf gegen Diskriminierung jeglicher Art. Basierend auf seinen eigenen Erfahrungen zeigte er großes Verständnis und noch viel größere Unterstützung für Minderheiten, für Homosexuelle und Schwarze, für die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Nicht nur, dass er mit Worten aufbegehrte, wie im berühmten überlieferten Ausspruch: „Ich sehe meine Spieler nicht als schwarz oder weiß an, ich sehe nur Packers-grün!“ Er ging auch aktiv zu Werke. Als Lombardi 1958 zu den Packers kam war Nate Borden der einzige dunkelhäutige Spieler im Team. 1967 waren 13 Spieler im Team schwarz. Darunter spätere Hall of Famer wie Herb Adderley, Dave Robinson oder Willie Wood.
Embed from Getty ImagesLombardi selbst stellte sich auch vor seine Mannschaft und kämpfte gegen den, um 1960, in NFL Teams vorherrschenden Rassismus. Als nach der Verpflichtung von Emlen Tunnell einige rassistische Stimmen im Team und im Umfeld der Packers laut wurden, machte der Trainer allen klar, dass er dies nicht tolerieren würde und jeden vor die Tür setze, der sich so äußert. Und so wurden die Packers im Laufe der 1960er das Team, was für die damalige Zeit die größte Toleranz an den Tag legte. Fast schon plakativ dafür steht Lionel Aldridge. Dieser hatte als Schwarzer eine Beziehung mit seiner späteren Frau (einer Weißen) und traute sich dies weder öffentlich noch in der Mannschaft bekannt zu machen. Erst als Lombardi ihm versicherte, dass ihn das nicht interessierte und nur fehlende Leistung für ihn ein Grund wäre, Aldridge aus dem Kader zu streichen, ging das gemischt-rassige Paar an die Öffentlichkeit – 1963 ein unglaublicher Schritt.
Embed from Getty ImagesAuch in Washington kämpft er gegen Vorurteile
Auch in Washington kämpfte Vince Lombardi gegen Vorurteile an, diesmal gegenüber Homosexuellen. Sowohl Jerry Smith, welcher sich nach Karriereende 1978 öffentlich outete, wie auch seine Mitarbeiter Joe Blair und David Slatterly offenbarten sich gegenüber dem Coach und hatten dessen volle Unterstützung. Gleiches galt für Runningback Ray MacDonald. Lombardis Sohn, Vince junior, sagte dazu: „Er sah alle als gleich an und ich glaube, einen schwulen Bruder (Vince Lombardis Bruder Harold war homosexuell) war ein elementarer Faktor in seiner Herangehensweise. Mein Vater sagte immer, dass er eine Atmosphäre im Locker-Room schaffen wollte, wo dies nie ein Problem darstellen würde.“ Und Vince Lombardi senior sagte selbst: „Mein Locker-Room wird nichts als Toleranz erleben.“
Aus diesem Grund war der Coach nicht nur ein für sich entschlossener Kämpfer gegen Diskriminierung, sondern auch ein Unterstützer der Zivilrechtsbewegung in den USA und der Kennedy-Brüder in ihren Wahlkämpfen 1960 und 1968. Funfact: ausgerechnet Richard Nixon hatte öffentlich verkündet, dass er Lombardi als Vizepräsidentschaftskandidaten in Betracht ziehen würde. Wenige Tage später ruderte er angesichts der offenen und bekannten Unterstützung Lombardis für Robert Kennedy zurück.
Der Taktik-Guru
Zurück zu Lombardi und Football: seine Hingabe für das Spiel ist bekannt, seine Versessenheit für Taktik ist gerade zu legendär. Stundenlang konnte er über Taktik, Spielzüge, aber auch Football im Allgemeinen referieren. Seine Teamsitzungen waren berühmt, manchmal berüchtigt, aber lehrreich für alle Beteiligten.
Auch andere Trainer bildeten sich mit Lombardi fort. Denn, bei allem Konkurrenzdenken, das an den Tag gelegt wurde, lebte der Coach auch hier die Football-Familie vor. Als Beispiel sei da das Verhältnis zu Tom Landry genannt. Beide waren als Koordinatoren Kollegen, später große Konkurrenten, was sich in den Championship Games 1966 und 1967 manifestierte. Der Hass, welchen beiden aufeinander zugeschrieben wird, ist aber nicht existent. Viel mehr waren beide von großem Respekt für einander geprägt.
Auch gegenüber anderen Coaches verhielt sich Lombardi respektvoll und teilte sein Wissen. Eine Anekdote dazu liefert John Madden. Mitte der 1960er Jahre wohnte dieser eine Schulung des Coaches bei. „Ich war jung, aber schon seit mehreren Jahren Coach“, berichtet Madden: „Was kann er mir also beibringen, gerade in acht Stunden? Dann referierte Coach Lombardi die komplett Zeit über einen Spielzug, den Packers-Sweep. Am Ende kannte ich alle Facetten dieses Spielzugs, hatte aber das Gefühl, so gar keine Ahnung von Football zu haben.“
Gegenüber seinen Spielern war Lombardi hart. Wenn jemand die taktischen Vorgaben seiner Meinung nach nur unzureichend erfüllte, wehte ein rauer Wind. Gleichzeitig ließ er seinen Spieler Freiraum, wenn sie diesen gut begründen konnten. Berühmt ist da sicherlich der Quarterback-Sneak von Bart Starr im Ice Bowl 1967. Die Idee hatte Starr und Lombardis Antwort war so simpel wie einleuchtend: „Run the damn ball!“
Der Packers-Sweep
Der berühmteste Spielzug von Vince Lombardi ist sicherlich der Packers-Sweep, ein Laufspielzug, der zunächst unglaublich einfach aussieht, aber in seiner Ausführung sehr komplex ist. Die Grundlagen für diesen Spielzug erlernte Lombardi selbst als Teil der O-Line in Fordham. Ausgehend von einer T-Formation (mit zwei TE, zwei Halfbacks, einem Fullback aber ohne Receiver) wurden freie Räume links und rechts der Tight Ends geschaffen. Lombardi verfeinerte diesen Spielzug immer mehr, brachte ihn von Fordham zu West Point und dann die NFL.
Die Entwicklung des Sweep wurde aber erst in Green Bay verfeinert – denn jetzt hatte er die nötigen Spieler. „Es ist mein Nummer eins-Spielzug, etwas worauf wir uns immer verlassen können. Aber dazu benötigt man elf Spieler, die als einer funktionieren“, definierte Lombardi sein Lieblingskind. Der Spielzug war im Grunde simpel, konnte aber gleichzeitig unwahrscheinlich komplex sein.
Die Packers perfektionierten ihn und am Beispiel des Bildes ist seine Wirkung vielleicht am Besten beschrieben. In diesem Beispiel spielen die Packers in einer Split Backs Formation gegen eine 4-3 Defense. Dabei blocken die beiden Wide Receiver die Safeties, während der Cornerback und der Linebacker auf der linken Seite relativ unbeachtet bleiben. Die Guards müssen dabei beweglich sein und relativ schnell recht weit nach außen, um sowohl den Cornerback auf der rechten Seite zu blocken oder im Raum auf heranstürmende Linebacker oder Safeties zu warten. Wenn alles richtig läuft, hat der Halfback (bei den Packers in der Regel Paul Hornung) eine Lücke neben dem Tight End. Je nach gestelltem Block kann er inside oder outside die nötigen Yards machen.
Es funktioniert nur mit guten Spielern
Ziel war bei diesem Play, mindestens vier Yards zu machen („four yards and a cloud of dust“) und so die Uhr zu kontrollieren. In den ersten drei Jahren von Lombardi gelang es den Packers, durchschnittlich 8,3 Yards (!) pro Play mit dem Sweep zu erreichen.
Natürlich haben die gegnerischen Coaches, allen voran der bereits erwähnte Tom Landry, versucht diesen Spielzug zu stoppen und haben dabei immer wieder Taktiken entwickelt, die das Laufspiel im Allgemeinen erschwerten. Doch Lombardi war in der Lage, den Packers-Sweep immer wieder mit neuen Elementen unberechenbar zu machen. Ob ein Sweep zur linken Seite, ein Sweep durch den Fullback oder sogar Options, die den Sweep zu einem Passspielzug machten – all dies war Bestandteil vom Lombardis Playbook.
Embed from Getty ImagesNatürlich, um den Spielzug so perfekt umzusetzen, wie es die Packers der 1960er getan haben, muss ein Team gute Spieler haben. Dazu gehören auch nicht nur die sechs Hall of Famer der Offense, sondern eben auch Spieler wie Fuzzy Thurston als LG, Marv Fleming als Tight End oder Donny Anderson als Halfback. Spieler, die großartig waren, aber nicht die ganz großen Ehren erhielten. Hätte nur einer dieser Spieler nicht funktioniert, hätte der ganze Sweep nicht funktionieren können!
Fazit zu Coach Lombardi
Was bleibt nun am Ende über Coach Lombardi zu sagen? Seine Erfolge werden für die Ewigkeit sein. Sein All-Time-Record (105-35-6), seine sechs Titel als Trainer und seine Dominanz in den 1960er Jahren werden immer unvergessen sein.
Charakterlich ist Vincent Thomas Lombardi schwer zu greifen. Auf der einen Seite ist er ein Hitzkopf, ja ein Choleriker, der das Leben für Familie, Freunde und Team nicht immer einfach machte. Sein Perfektionismus ging nicht nur seinem Sohn manchmal gehörig auf die Nerven.
Dem gegenüber ist er ein Footballfanatiker, einer der das Spiel rückblickend besser gemacht hat und ihm noch mehr Facetten gegeben hat. Ebenfalls war Lombardi ein Mann, dessen Kampf gegen Diskriminierung zu oft unbeachtet blieb, gerade in einer Zeit, in der Rassentrennung, Schwulenhass und Rassismus offen gelebt wurden. Viele Spieler sind ihm daher bis heute dankbar.
Wie man Lombardi letztlich bewertet, bleibt jedem selbst überlassen. Für mich ist er, rückblickend betrachtet, der größte Coach, den die NFL gesehen hat.
Empfehlungen
Wer sich noch weiter für das Leben und Wirken von Vince Lombardi interessiert, dem sei das Buch „When Pride still Mattered“ von David Maraniss ans Herz gelegt. Dies ist wohl die beste Biografie, die es über den Coach zu lesen gibt. Das Buch und Hörbuch gibt es, leider nur auf Englisch, bei Amazon oder Ebay. Ansonsten könnt ihr das Buch bestimmt auch über den Buchladen eures Vertrauens bestellen. Ebenfalls lesenswert ist die Autobiografie „Instant Replay, the Green Bay Diary of Jerry Kramer“. Auch dieses Buch findet ihr im Netz. Zum „Run to Daylight!“ von Lombardi selbst kann ich leider nichts sagen.
Wer sich lieber filmisch berieseln lässt, dem sei die Dokumentation „The Coach who Put Green Bay on the map“ von NFL Films ans Herz gelegt. Diese findet ihr bei YouTube.