Karl Brooks – Draft Steal oder zurecht weit gefallen?

Die Interior Defensive Line gilt bei den Packers seit Jahren als Positionsgruppe mit sehr viel Verbesserungspotential. Auch diese Offseason investierte das Front Office um Brian Gutekunst keine teuren Ressourcen – vermutlich setzt man bei Kenny Clark wieder auf eine Leistungssteigerung nach der insgesamt relativ enttäuschenden Saison 2022, während bei First Round Pick Devonte Wyatt der nächste Entwicklungsschritt folgen soll. Allerdings wurden am dritten Tag des Drafts gleich zwei Spieler für die Line gewählt: Colby Wooden (vierte Runde) und Karl Brooks (sechste Runde), der deutlich später verfügbar war, als im Vorfeld erwartet wurde. Was bringt Brooks für ein Skillset mit und wie viel Value kann er bereits in seiner Rookie-Saison haben?

Spielerprofil Karl Brooks – Interior Defensive Line – Pick 179, Runde 6

Karl Brooks’ Evaluation gehörte zu den schwierigeren Aufgaben in der diesjährigen Draft-Klasse. Mit einer Größe von 6’3″ (1,90 m) und einem Gewicht von 303 lbs (137 kg) besitzt er klassische Maße für einen Interior Defensive Lineman in der NFL. Betrachtet man nur diese Werte fällt Brooks in die klassischen Rolle als 3-Technique (Pre-Snap zwischen Guard und Tackle) und 5-Technique (Pre-Snap an der Außenschulter des Tackles). Erwähnenswert ist allerdings, dass der 23-Jährige während seiner College-Karriere bei Bowling Green fast ausschließlich als Edge Rusher spielte. In fünf Jahren am College hat er lediglich 214 Snaps innerhalb der Tackles gespielt und bringt für diese Rolle dementsprechend überschaubare Erfahrung mit. Welche Rolle kann ein solches Prospect nun in der NFL ausfüllen?

Stärken von Karl Brooks

Wenn man Brooks’ Stärken herausstellen möchte, muss man mit seiner enormen Produktivität als Pass Rusher beginnen. In den letzten zwei Jahren konnte Brooks 20 Sacks aufweisen (zwölf davon 2022). In seiner Senior-Saison 2022 führte er außerdem alle (!) FBS-Edge-Rusher der diesjährigen Draft Klasse mit 69 Pressures (nach PFF) an. Dabei landete er bei fast identischer Anzahl an Pass Rush Snaps unter anderem vier Pressures vor Will Anderson Jr (dritter Overall-Pick im Draft, Houston Texans). Erwähnen muss man hierbei jedoch, dass Bowling Green als Mitglied der Mid-American-Conference (MAC) nicht in einer der Power 5-Conferences spielt und das Niveau der Gegner von Brooks im Durchschnitt deutlich niedriger ist, als bei den meisten sonstigen gedrafteten Edge Rushern.

Der aus Michigan stammende Brooks gewinnt als Pass Rusher bereits auf vielen verschiedenen Wegen. Seine Hände sind sehr stark, kräftig und aktiv. Er besitzt viel Kraft im Oberkörper und bereits jetzt ein sehr vielfältiges Arsenal an Pass Rush-Moves. Seine technisch sehr ausgeprägte Handarbeit bringt ihm konstant 1-gegen-1-Siege gegen Offensive Linemen ein.
Außerdem weist er für einen 303lbs schweren Lineman eine verhältnismäßig gute Agilität und Quickness auf, was durchaus erklärt, warum er mit seinem Gewicht am College als Edge Rusher so erfolgreich war. Bei Stunts und anderen taktischen Spielen innerhalb der Line zeigte er sich als absoluter Chaoserzeuger in gegnerischen offensive Lines. Auch sein Bull Rush und seine Speed-to-Power-Conversions gegen Tackles waren immer wieder von Erfolg gekrönt.

Schwächen von Karl Brooks

Brooks hat im Prinzip nur zwei klare Schwächen, die ihn allerdings als Run-Verteidiger extrem limitieren.
Primär ist es seine unterdurchschnittliche Play Strength, die ihm große Probleme bereitet an der Line of Scrimmage konstant seine Gaps zu kontrollieren. Er kann selbst im 1-gegen-1 zu leicht aus dem Weg geschoben werden und hat gegen Double Teams kaum eine Chance.

Kombiniert man dies mit seinen sehr kurzen Armen (31 1/2″), erhält man eine Mischung, die in der NFL wohl konstant von gegnerischen Rushing Offenses attackiert wird. Fraglich ist auch, ob Brooks seine Produktivität als Bull Rusher in der NFL mit dieser Armlänge aufrecht erhalten kann.

Hinzu kommt, dass er als Pass Rusher zwar sehr produktiv und vielseitig ist, um in der NFL als Edge Rusher zu spielen jedoch deutlich zu wenig Explosivität und Bend mitbringt. Er ist für Tackles keine Gefahr als Outside Rusher.

NFL-Projection und Erwartungen für 2023

Fasst man die Stärken und Schwächen des Sechstrundenpicks zusammen, erhält man ein relativ klares Bild davon, was Karl Brooks auszeichnet. Auch die Vorhersage für seine (kurzfristige) NFL-Zukunft kann daraus abgeleitet werden. Vermutlich wird er vorerst eine klare Rolle als Pass Rusher bei langen Second Downs und in erster Linie bei Third Downs erhalten, in der er seine Run Fits und Verantwortlichkeiten in gewisser Weise vernachlässigen kann. Er wird aller Voraussicht nach also zumindest kurzfristig kein Full-Time-Starter für die Packers sein – was für ein Tag Drei Pick nicht unüblich ist.

Allerdings ist bereits diese Rolle extrem wertvoll. In Green Bay sucht man seit Jahren nach einer weiteren Pass Rush-Präsenz in der interior D-Line. Kenny Clark und Devonte Wyatt (evtl. auch Lukas Van Ness bei Third Downs) werden wohl mehr Snaps sehen. Dahinter sollte Brooks sich mit Viertrundenpick Colby Wooden allerdings ein offenes Camp-Battle liefern.
Um einen Platz im 53er-Roster sollte er sich keine großen Sorgen machen müssen, wenn er seine Fähigkeiten als Pass Rusher einigermaßen vom College in die NFL übertragen kann.

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