Es ist so weit! Aaron Rodgers dreht den Packers den Rücken zu!
Naja, zumindest warten alle gespannt darauf. Doch auch wenn es noch dauern mag, bis sich die Packers und die Jets einigen, eine „Rückkehr“ von Aaron Rodgers zu den Packers kann ausgeschlossen werden.
Von manchen inzwischen erhofft, von manchen nostalgisch betrauert. Doch bei einem sind sich die meisten Fans wohl einig: Eine lange, NFL prägende Ära ist vorbei. Das Kapitel Aaron Rodgers ist sicher nicht das Einzige, was die Green Bay Packers derart geprägt hat. Legenden hatte die Organisation bereits einige. Sei es Curly Lambeau, Don Hutson, Vince Lombardi, Reggie White, Brett Favre und viele weitere. Doch wahrscheinlich liest sich kein Kapitel vor allem gegen Ende so schwerfällig wie eben jenes von Aaron Rodgers. Die Gründe dafür möchte ich jetzt gar nicht weiter ausführen, den meisten dürften die Symptome noch allzu präsent sein. Wer mehr über Rodgers lesen will, dem kann nur die Kolumne von meinem Kollegen Jo an Herz legen. Er hat die Karriere von Aaron Rodgers nach seinem Pat McAfee Auftritt nochmal wunderbar aufgearbeitet.
Doch die Geschichte der Packers ist bei Weitem noch nicht zu Ende. Das nächste Kapitel folgt. Und dieses heißt Jordan Love. Nun stellen sich viele Fragen. Fragen, die in letzter Zeit seltener gestellt worden sind, manche gefühlt nicht mal direkt nach dem Draft. Immer wieder hat die Situation rund um Rodgers die Gesprächsthemen bestimmt.
Wer ist Jordan Love eigentlich? Was bringt er für Qualitäten mit? Passt er zum Spielstil von Matt LaFleur? Auf welchem Niveau ist er jetzt?
Auf diese Fragen soll im Kommenden eingegangen werden und diese bestmöglich beantwortet werden.
Spielerprofil Jordan Love
Fangen wir ganz am Anfang an: Jordan Love ist in Bakersfield, unweit von Los Angeles, geboren und aufgewachsen. Dort ging er auch zu Highschool, durfte aber erst als Senior dort als QB spielen. So fiel er aus dem Fokus der großen Unis und hatte letztlich als 2-Star-Rekrut keine besonders berauschende Auswahl, zumindest aus NFL Perspektive. Aus den Angeboten von Eastern Washington, Northern Arizona, Northern Colorado, Sacramento State und Utah State nahm er letzteres an und blieb dort auch bis zum Draft. Utah State spielt in der Mountain West Conference, eine der Group of Five Conferences, mit vergleichsweise eher niedrigerer Qualität. Die vier bekanntesten Spieler von Utah State in den letzten 20 Jahren sind: Donald Penn, Bobby Wagner und die beiden Ex-Packer Jarrett Bush und Kyler Fackrell.
Embed from Getty ImagesSein Start in die College Karriere war sehr durchwachsen. 12 Spiele, 6 davon Starts, 1.631 Yards, 8 Touchdowns, 6 Interceptions standen am Ende zu Buche. In seinem 2. Jahr verbesserte er sich aber massiv und erzielte einen Schulrekord mit 3.567 Yards, 32 Touchdowns (+7 Rushing TDs) und 6 Interceptions. Sein Team schloss die Saison mit 11:2 ab und war an Position #22 im gesamten Land gesetzt. 2019 hatte er dann einen neuen Head Coach und Offensive Coordinator. Zudem verließen einige Spieler das Team. Seine letzte Saison beendete er mit einem 7-6 Record und 3.402 Yards, 20 Touchdowns und 17 Interceptions. In seiner gesamten College-Karriere hatte er dabei nur einen einzigen weiteren von der NFL gedrafteten Spieler (Darwin Thompson, RB, Chiefs, 6.Runde) an seiner Seite. Eine Rolle hat dieser in der NFL allerdings nie gespielt.
Stärken und Schwächen
Ich persönlich hatte Jordan Love vor dem Draft auf Platz 4 unter den QBs in der frühen Runde 2 verortet. Hinter Burrow, Tua und Herbert, knapp vor Jalen Hurts. Jordan Love galt als das größte Boom or Bust Talent der Klasse. Er brachte einen unheimlichen starken Arm in Kombination mit einem schnellen Release mit sowie eine prototypische Körpergröße und Athletik. Des Weiteren hatte er ein gutes Gefühl für die Pocket und konnte Sacks konstant gut aus dem Weg gehen. Auch als „on-the-Run-Passer“ fiel er positiv auf. Durch diese Tools konnte er für beachtliche Highlight-Reels sorgen. Auf der Kehrseite stand dagegen Inkonstanz bei der Genauigkeit, beim Ball Placement und vor allem bei der Entscheidungsfindung und den Reads. Er übersah oftmals Defender oder konnte Coverages nicht richtig lesen, was zu vielen Interceptions führte.
Diese extremen Höhen und Tiefen sorgten auch dafür, dass die Beurteilung von Jordan Love als Prospect stark auseinander ging. Von Mitte Runde 1 bis Runde 3 war alles dabei. Daniel Jeremiah hatte ihn letztlich auf Platz 23 im Big Board. Adrian Franke und Christoph Kröger (Down Set Talk) hatten ihn dagegen eher in Mitte Runde 2 gesehen. In einem waren sie sich aber alle sicher: Jordan Love sollte erstmal sitzen und sich entwickeln bevor auf die NFL losgelassen wird. Dass aus dieser Entwicklungszeit nun am Ende drei Jahre werden würden, damit hatte man damals nicht gerechnet.
Doch für welchen Spielstil steht Jordan Love eigentlich? Passt er damit zu Matt LaFleur?
Jordan Loves Spielstil
Jordan Love kann man recht gut in Kategorie „Gunslinger“ verorten. Diese Kategorie von Quarterbacks, an deren Spitze zumeist Brett Favre genannt wird, haben einen sehr starken Arm und können dementsprechend tiefe Bälle anbringen, die kaum ein anderer Quarterback anbringen kann. Sie nehmen das Risiko freie Spieler zu übersehen oder Interceptions bewusst in den Kauf, um auf der anderen Seiten beim Erfolg vom enormen Upside der Plays (BigPlays) zu profitieren. Diese Art sorgt per se für schwankende Leistungen und polarisiert. Im Gegensatz zu anderen Quarterback-Styles ist diese Art allerdings nicht besonders Scheme gebunden. Sprich sie können in vielen Schemes und unter vielen Coaches funktionieren.
Am besten funktioniert diese Art allerdings in einer „Air Coryell Offense“ (vertikales Downfield Passing Game, Spread Offense, Power Run Game, dominanter Tight End). Matt LaFleur zeigt dagegen eine sehr flexible Interpretation der Shanahan-/McVay-Offense, die einer „West-Coast Offense“ zugeordnet werden. Die West-Coast Offense setzt auf ein dominantes Run Game mit einem sehr rhythmischen, sehr auf Timing ausgelegten Passspiel mit viel (PreSnap-)Motion und intensiver Nutzung von Tight Ends und Running Backs im (Kurz-)Passspiel. Matt LaFleur hat in seiner Variante der West-Coast Offense allerdings bisher auch viel Raum für Improvisation für Rodgers gelassen und einige eher untypische Downfield-Elemente eingebaut.
Jordan Love – Matt LaFleur ein Scheme Fit?
Embed from Getty ImagesDie Zusammenarbeit zwischen Aaron Rodgers und Matt LaFleur hat, trotz nicht ganz idealem Fit, zunächst überraschend gut funktioniert und letztlich auch zu zwei MVP Auszeichnungen für Rodgers geführt. Aber der sportliche Leistungsabfall und der Abgang von Davante Adams zeigte dieses Jahr aber auch auf, wie anfällig und abhängig das System von ihren prägenden Akteuren ist.
Es wird spannend zu sehen sein, inwieweit LaFleur sein System ein weiteres Mal anpasst, um Loves Fähigkeiten mit dem Scheme zu verbinden. Eine wichtige Rolle könnte hierbei Christan Watson einnehmen. Vom Spielstil (groß, extrem schnell, Downfield- und Redzone-Waffe) her könnte Christian Watson ein idealer Fit für eine Mischung aus einem „Love-LaFleur Scheme“ sein und die künftig prägende Figur der Offensive werden. Egal ob tiefen, vertikalen Routen oder auf kurzen, horizontalen Routen mit viel Yards after Catch Potenzial – Watson ist stand jetzt die klare Nr.1 Anspielstation und bringt alle notwendigen Attribute mit. Allerdings fehlen noch einige Puzzleteile (Possession Receiver, Tight End(s)), um Love mehr Optionen zu geben und Watson zu entlasten. Man darf also auch gespannt sein, was sich General Manager Brian Gutekunst dafür noch einfallen lässt.
Zusammenfassung der letzten Jahre um Love
Stellt sich noch die Frage: Auf welchem Niveau ist Jordan Love jetzt eigentlich? Und wie vielversprechend ist eigentlich das, was er bisher gezeigt hat?
Fassen wir zunächst mal zusammen, wie viele und welche Spiele er in der NFL spielen durfte. Kurzer Rückblick: 2020 wurde die gesamte Preseason aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Er verbrachte die gesamte Saison 2020 als 3.QB hinter Rodgers und Tim Boyle und war zu keinem Spiel „active“. Das war so vorgesehen, damit sich Love auf seine Entwicklung fokussieren konnte. 2021 durfte er dann Kurzeinsätze verbuchen. Zunächst gegen die Houston Texans und Buffalo Bills in der Preseason, später gegen die Saints (Week1), Vikings (Wk17) und gegen die Lions (Wk18) in der Regular Season. Zu seinem ersten „Startelfeinsatz“ kam es gegen die Chiefs (9), da Rodgers Corona bedingt ausfiel. 2022 durfte er die gesamte Preseason spielen (49ers, Saints, Chiefs) und sowie Kurzeinsätze in den entschiedenen Spielen gegen Minnesota (Wk1, 17) und Jets (Wk6) sowie gegen die Eagles (Wk12), nachdem sich Rodgers verletzte. Seine Statistiken aus diesen Spielen finden sich in der folgenden Tabelle.
In diesen 153 Regular Season Snaps (Spiele ohne Passing Attempt nicht berücksichtigt) konnte er bislang nicht vollends überzeugen. Allerdings sind das für drei Jahre auch eine extrem kleine Sample Size (das entspricht ca. 2,5 Spielen). Vor allem das Chiefs Spiel (das einzige komplette Spiel von Love / in Tabelle Blau markiert) ließ die allermeisten Fans nicht unbedingt mit einem wohligen Gefühl zurück, was zu einem am Ergebnis lag (7 zu 13 verloren), zum anderen an den schwachen individuellen Statistiken von Love (190 Yard, 1 TD, 1 INT, 55,9 Completion %, PFF Grade 30).
Doch gerade in diesem Spiel hat Jordan Love auch wenig Unterstützung vom Scheme und der Offensive Line bekommen (33% Pressure-Quote / Rodgers hatte eine solche Quote nur 1x in den letzten 3 Jahren). J.T. O’Sullivan (The QB School) hat dieses Spiel von Love in diesem Video nochmal genauer aufgearbeitet und aufgezeigt, wieso es Jordan Love schwieriger gemacht wurde, als es hätte sein sollte.
Entwicklung von Love in der Saison 2022
Ein weiteres empfehlendes Video von J.T. O’Sullivan ist die Analyse vom Saints Spiel in der Preseason 2022. Im Vergleich zu dem Chiefs Spiel und den Auftritten davor merkt man schon eine spürbare Entwicklung. Bei dem Spiel gegen die Eagles (Jeden Love Pass kann man hier sehen) sah er nochmals wesentlich verbessert aus.
Man merkt, dass er mehr Selbstvertrauen hat. Zudem hat sich seine Fußarbeit über die gesamte Zeit weiterentwickelt. Die Füße (vor allem der linke) werden beim Wurf nun deutlich besser gesetzt, dadurch kriegt er mehr Sicherheit und Speed in seine Würfe. Die verbesserte Technik hilft entscheidend bei seiner Genauigkeit. Auch beim Lesen des Feldes und seiner Übersicht hat er deutliche Fortschritte gemacht. Nichtsdestotrotz bleiben in diesem Bereich noch Unsicherheiten. Dies gilt auch für seine Genauigkeit und sein Ball Placement, auch wenn diese sich deutlich verbessert haben, sehen wir dort in den Spielen teilweise noch eine zu große Streuung.
Ausblick
Seine Entwicklung wird dabei von allen Seiten gelobt. Sei es von Brian Gutekunst (“I think he’s ready to play, and I think he’s ready to be an NFL starting quarterback”) oder von Spielerseite (Aaron Jones: “Jordan’s made a huge jump, especially this last year…you can see it in practice, throwing dimes…he can do this at a high level”).
Selbst Aaron Rodgers bewertet seinen Nachfolger positiv (“Jordan’s going to be a great player”, “He’s a f–king great kid. He had a really good year this year. He’s got a bright future in front of him.”). Doch man darf diese lobenden Worte auch nicht zu hoch hängen. Die Erwartungen dämpfte auch Matt LaFleur letzte Woche als er sagte: „“It’s going to be a different role for him, certainly, and I think we all have to kind of temper our expectations for him. It’s different when you’re going into a game versus when you’re starting a game. It’s going to be a process, but it’s gonna be exciting for him, for us.”
Wo er wirklich steht, sehen wir erst wenn die Saison losgeht und er wirklich mehrere Spiele am Stück sich zeigen kann. Diese Spielzeit und den Rhythmus braucht er jetzt aber auch um den nächsten Schritt zu machen. Jetzt gilt es eine gute Connection zu den Receivern, den Runningbacks aufzubauen. Ein guter Ansatz dafür war schonmal das gemeinsame Training mit Christian Watson, Aaron Jones und Romeo Doubs in Kalifornien. Die nächste Möglichkeit bietet sich bei OTA’s (freiwilliges Training) im Anschluss an den Draft (Mai-Juni). Eine Zeit im Jahr, bei der Rodgers konstant mit Nichterscheinen auf sich aufmerksam machte.
Zunächst kommt aber der Draft und hoffentlich bald der Trade von Aaron Rodgers. Die spannende Frage ist, ob die Packers die hohen Picks (vlt. auch jene aus einem Rodgers Trade) in offensive Skill Player investiert oder ob dem Trend der vergangen Jahre treu geblieben wird und erstmal die Defensive verstärkt wird. Noch mehr hochwertiger WR- und TE-Support würde der weiteren Entwicklung von Jordan Love aber keineswegs schaden.
Wie dürfen gespannt sein, wie sich das nächste Kapitel der Packers schreibt…