Sean Clifford – Der ideale Backup

Die Packers haben den Umbruch auf Quarterback in der Offseason vollzogen. Dadurch wurde nun natürlich auch der Backup Spot frei. Letzte Saison hatten die Packers nur Aaron Rodgers und Jordan Love unter Vertrag. Der 29 jährige Danny Etling war die ganze Saison über im Practice Squad der Packers und unterschrieb einen Future Contract im Januar. Etling hat allerdings noch nie ein Regular Season Spiel absolviert und ist seit 2018 von einem Practice Squad zum anderen gewechselt.

In der vergleichbar tiefen Quarterbackklasse war es zu erwarten gewesen, dass die Packers hier ebenfalls zuschlagen. Doch wen die Packers genommen haben, hat dann doch sehr überrascht. Sean Clifford war auf vielen Draftlisten sehr weit unten, wenn überhaupt zu finden gewesen (wie z.B. in unserem Konsens Ranking). Zumeist wurde er als Free Agent und nicht draft-worthy eingestuft. Womöglich lag die Entscheidung der Packers aber auch an dem QB-Run, der 22 Picks vorher gestartet wurde. So gingen Jake Haener, Stetson Bennett, Aidan O’Connell, Clayton Tune, Dorian Thompson-Robinson direkt vor ihm, bevor Clifford als elfter Quarterback gewählt wurde. Gut möglich, dass einer dieser Quarterbacks bei den Packers noch höher auf dem Board gewesen wäre. Aber Clifford bringt auch Fähigkeiten mit, die manch andere nicht unbedingt haben.

Spielerprofil Sean Clifford – Quarterback – Pick 149 Runde 5

Sean Clifford ist in Illinois geboren und zum Saisonstart 25 Jahre alt. Damit ist er einer der älteren Draft Prospects. Zum Vergleich: Er ist vier Monate älter als Jordan Love. Er hatte sich 2017 für Penn State entschieden, aber das erste Jahr ausgesetzt. 2019 bekam er dann den Starterjob vor Will Levis und behielt diesen bis zum Ende (Will Levis wechselte nach zwei Jahren als Backup zu Kentucky). Bei Penn State brach er viele Rekorde (meiste Siege, meiste Passing Yards, meiste Touchdowns sowie einiges mehr). Außerdem war er vier Jahre lang in Folge Team Captain. Eine Ehrung, die bisher nur einem weiteren Penn State Spieler zu Teil wurde.

https://www.espn.com/nfl/player/stats/_/id/4259592/type/college

Während seiner Zeit bei Penn State war das Team dabei durchaus sehr erfolgreich. In einer der stärksten Conferences im College Football (Big Ten) gehörten sie 2019 und 2022 zu den Top10 Colleges (2019: 9. / 2022: 7.). Gerade 2022 verlor man nur zwei Spiele (gegen die beiden Playoff Teams Michigan (3) und Ohio State (4)). Zudem konnte man letztlich im Rose Bowl (eines der wichtigsten Bowl-Games) gegen die an 8 gesetzten Utah Utes gewinnen. Unter ihm spielten unter anderem Wide Receiver K.J. Hamler (2020 Broncos, Pick 46 Overall) und Jahan Dotson (2022 Commanders, #16) sowie die Tight Ends Pat Freiermuth (2020 Steelers, #55) und Brenton Strange (2023 Jaguars, #61).

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Auch wenn für einen Quarterback das athletische Profil meist nicht entscheidend ist, ein kurzer Blick auf das Profil von Sean Clifford: Er ist vergleichsweise eher klein für einen Quarterback (1,88m) und sehr schmächtig. Die Agilitäts- und Sprintwerte sind dafür sehr gut. Man darf allerdings nicht erwarten, dass er auf Profiniveau sehr durch sein Running bestechen wird. Die Athletik hilft ihm aber enorm, sich in der Pocket zu bewegen, um Druck auszuweichen oder um die etwas mangelhaften Playmaking-Qualitäten als Passer auszugleichen.

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Stärken

Der Grund warum die Packers Sean Clifford gedraftet haben, sind eher weniger rein sportliche Argumente. In den folgenden Interview Ausschnitten finden sich einige Argumente davon. So sagt Milt Hendrickson, director of football operations bei den Packers, zum Beispiel: „[Clifford] brings just a lot of experience to our room. He’s an upgrade to our overall roster that way. “He’s played in big games,” Hendrickson said. “That kid coming into the environment in Lambeau, it’s not going to be too big for him. That experience factor, along with some of the moxie he has, to me it’s a culmination of who he is.” Damit spielt er die oben angesprochenen Duelle gegen die Top Teams, aber eben auch zum Beispiel das Bowl Game an. Ein Wort das hier benutzt wird und vielleicht nicht jedem ein Begriff ist, das Wort „Moxie“. Es kann beschrieben werden als eine Art Energie, Aggressivität (in dem Fall positiv gemeint) bzw. als Mut und Entschlossenheit. Und nicht zuletzt kann es auch für ein gewisses Know-How in einem Bereich stehen. Und letztlich passen wohl alle drei Übersetzungen recht gut auf das, was Clifford ist.

Matt LaFleur ergänzte noch: „Sean is a guy that is intelligent, he’s played a lot of games, he’s got some athleticism, and he’s a natural thrower. All the things we look for in quarterbacks, he possesses.” Zu dem Punkt Intelligenz passt, dass er mit seinem Bruder Liam eine Firma gegründet hat, die andere studentischen Athleten berät, um ihre Interessen (Bildvermarktung etc.) durchzusetzen (Inzwischen hat er die Firma verkauft, um sich auf den Profisport zu konzentrieren). Sean Clifford besticht durch seinen Charakter und passt in den Locker Room, er kennt seine Rolle, ist aber gleichzeitig motiviert genug sich selbst stets zu verbessern. Charaktereigenschaften, die besonders für einen Backup Quarterback essenziell sind.

Sean Clifford wird von den Fans nach seinem letzten Spiel emotional verabschiedet

Doch wie steht es um seine sportlichen Fähigkeiten?

Die Athletik wurde oben schon angesprochen. Mit deren Hilfe bewegt er sich gut in der Pocket und kann Pass Rushern ausweichen und kann Spielzüge am Leben erhalten, bei denen viele Quarterbacks den Ball wegwerfen. Dazu gehört dann eben auch der ein oder andere Run. Diese Fähigkeit wurde auch im Playbook bedacht und ihm einige Plays gegeben, bei denen er entscheiden kann, ob er wirft oder selbst mit dem Ball läuft. Dazu hat er einen guten Überblick sowie eine gute Genauigkeit beim Werfen aus dem Lauf, zum Beispiel, wenn er aus der Pocket ausbricht und von Verteidigern davon läuft.

Außerdem wird er als sehr tough beschrieben, der sich auch nicht zu schade ist Hits zu nehmen und nicht in Panik gerät, wenn die Pocket auseinanderbricht. Des Weiteren hat er eine gute ausgereifte Technik im gesamten Wurfprozess, spielt sicher und nimmt nur selten das Risiko. Ein Grund für recht wenige Interceptions (nie mehr als neun) in seiner Karriere.

Hier noch ein kleines Highlight Video von ihm, um ein Gefühl von ihm zu bekommen:

Schwächen

Das hört sich jetzt alles sehr positiv an. Es gibt aber auch eine Vielzahl an sportlichen Argumente, die gegen ihn sprechen. Man sieht in seinem gesamten Prozess, warum er kein Top Prospect ist. Bei der Evaluierung von Quarterbacks geht es häufig um Nuancen, die sich letztlich potenzieren. Sein gesamter Bewegungsablauf ist zu steif und vorhersehbar. Gerade als Runner wird er in der NFL deutlich mehr Probleme bekommen, wenn die Verteidiger seine Athletik besser matchen können. Aus diesem Grund kommt es bei ihm mehr auf das Passen an.

Dort hat er teilweise noch Probleme beim Lesen der Verteidigung und entscheidet sich zu langsam bzw. zu häufig einfach falsch. Er schafft zudem zu selten, vor allem die Gegner mit seinen Augen zu manipulieren. Dadurch wird es vor allem den Linebacker wesentlich einfacher gemacht zu antizipieren, wohin der Wurf gehen wird. Da hilft es auch nicht, dass er definitiv nicht den besten Arm hat. Die Power in den meisten Würfen ist gut, aber er probiert gelegentlich auch Würfe, die mit seinem Arm nur sehr schwer umzusetzen sind. Die bei den positiven Aspekten angesprochene Wurftechnik bzw. das Setzen der Füße ist dafür noch nicht ausreichend gut genug.

Darüber hinaus ist sein Ball Placement (der Bereich, wo der Ball idealerweise hin sollte) sowie die Genauigkeit eben die richtigen Spots auch zu treffen noch deutlich zu inkonstant. Etwas was sich nur selten besonders verbessern lässt. Dafür spricht auch die recht niedrige Completion Percentage von etwas mehr als 60%. Außerdem sind die knapp 100 Sacks in vier Jahren zu viele. Als letzten negativen Punkt kann man noch anführen, dass er es gewöhnt ist, eine RunPassOption (RPO)-Offense ausführen (und das auch sehr gut gemacht hat). Dieses Element ist Teil eines jeden NFL Playbooks, aber es besteht nicht nur hauptsächlich daraus. Die anderen Elemente müssen auch umgesetzt werden. Da könnten Zweifel daran bestehen, wie gut er diese anderen Elemente ausführen kann.

Erwartungen für 2023

Für Sean Clifford persönlich war der Packers Pick das Beste, was passieren konnte. Schön war auch seine Reaktion nach dem Draft. Ebenfalls empfehlenswert ist das kurze Interview, bei der Clifford vor allem die familiäre Stimmung bei Penn State, aber auch auf das was er Green Bay geben kann, eingeht.

Er passt sehr gut nach Green Bay und bekommt direkt die Chance sich als Backup zu beweisen. Wie am Anfang beschrieben, ist seine Konkurrenz mit Danny Etling auch überschaubar. Es ist aber auch gut möglich, dass die Packers noch einen Veteran Quarterback verpflichten wie zum Beispiel Carson Wentz oder Teddy Bridgewater, die noch auf dem Markt sind. Allerdings nur, wenn diese vergleichsweise günstig zu haben sind. Klar ist auf jeden Fall, dass Jordan Love unumstrittener Starter in der kommenden Saison sein wird, egal wer noch kommt oder wie sich Clifford und Etling entwickeln werden. Und sollte Love entsprechend überzeugen, stellt sich diese Frage auch weiterhin nicht. Sollte das Experiment schief gehen, werden die Packers ein großer Favorit für einen Rookie Quarterback 2024 im Draft sein.

So oder so erscheint eine Starterrolle in den nächsten Jahren für Clifford extrem unwahrscheinlich. Sicherlich auch ein Grund, weshalb das sportliche Upside, welches bei Clifford stark limitiert ist, für die Rolle die die Packers gesucht haben, eher zweitrangig war und der Fokus auf die Persönlichkeit und Erfahrung gesetzt wurde. Eine Rolle in die Clifford gut hineinpasst.

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